„Was trennt uns?“ – „Nichts!“ // Junge Menschen aus Deutschland und Tschechien blicken zurück und nach vorne auf dem 9. Deutsch-Tschechischen Jugendtreffen in Polička
Zum 20. Jubiläum des ersten Deutsch-Tschechischen Jugendtreffens kamen deutsche und tschechische Jugendliche zusammen und zurück an den historischen Ort Polička im östlichen Böhmen. Organisiert wurde das nunmehr neunte deutsch-tschechische Jugendtreffen wie damals von den beiden Dachverbänden der Jugendarbeit in Deutschland und Tschechien. Heute sind das der Deutschen Bundesjugendring (DBJR) und der Tschechische Rat für Kinder und Jugendliche (Česká rada dětí a mládeže – ČRDM). Gefördert und unterstützt wurde die Veranstaltung von den beiden Koordinierungszentren Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem in Regensburg und Pilsen, dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und der Stadt Polička.
Eröffnet wurde die Veranstaltung am Freitag den 23. September 2016 durch den Bürgermeister von Polička, Jaroslav Martinů, seinen Vorgänger von 1996, Jakub Skalník, den stellvertretenden Vorsitzenden des ČRDM, Ondřej Šejtka und die Vorsitzende des DBJR, Lisi Maier. Jakub Skalník, heute Botschafter der Tschechischen Republik in Bosnien und Herzigowina, erklärte die Bedeutung des Treffens: Damals wie heute leiste das deutsch-tschechische Jugendtreffen einen Beitrag für ein demokratisches Europa. Deshalb setzte er sich dafür ein, dass nach 20 Jahren das Jugendtreffen wieder in Polička stattfinden konnte.
In zwei Podiumsgesprächen wurden die gesellschaftlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede von damals und heute in den Blick genommen und die internationale, insbesondere die deutsch-tschechische Jugendarbeit im Kontext politischer Veränderungen diskutiert. Jochen Rummenhöller vom DBJR, der bereits 1996 als Organisator mit dabei war, und Jakub Skalník teilten als Zeitzeugen mit den Teilnehmenden ihre Erinnerungen. Auch die Moderatorin des Abends, die bekannte tschechische Journalistin Bára Procházková, war vor 20 Jahren dabei – die Teilnahme an einem Journalismus Workshop habe sie für ihre spätere Berufswahl motiviert. 2016 nun leitete sie ihren eigenen Journalismusworkshop auf dem Jugendtreffen. Ob dort bereits die Moderatorin des nächsten Jubiläumsjugendtreffens inspiriert wurde, wird sich zeigen. Bára Procházková rief den Teilnehmenden das Fazit des Jugendtreffens von 1996 in Erinnerung: Immer wieder von Journalisten gefragt, was die Jugendlichen aus Deutschland und Tschechien trenne, waren diese sich am Ende des Treffens einige, dass die Antwort nur lauten konnte: „Nichts!“
In der zweiten Podiumsrunde diskutierten Lisi Meier (Vorsitzende des DBJR), Juliane Niklas (Bayerischer Jugendring/BJR), Jindřich Fryč (Staatssekretär des tschechischen Schulministeriums MŠMT) und Michal Urban (Direktor des Jugendreferats des MŠMT) die Entwicklung des deutsch-tschechischen Jugendaustausches seit Polička 1996. Jindřich Fryč betonte die tragende Rolle, die dem Thema Jugend auf dem Weg zur Deutsch-tschechischen Erklärung von 1997 zukam. Während die Annäherung auf höherer politischer Ebene ins Stocken kam, brachte das Jugendtreffen, unter der Schirmherrschaft der beiden damaligen Staatspräsidenten Roman Herzog und Vaclav Havel, die 1996 selbst am Treffen teilnahmen, neuen Schwung in den Prozess. Auch heute ist der Jugendaustausch eine tragende Säule für die freundschaftlichen Beziehungen beider Länder, waren sich alle Diskutant/-innen einig. Besonders gewürdigt wurde die Arbeit der Koordinierungszentren Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem, deren Gründung auf dem Jugendtreffen 1996 beschlossen worden war. Als Fach- und Förderstellen für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch haben die beiden Büros in Regensburg und Pilsen seit ihrem Bestehen die Annäherung zwischen jungen Menschen aus den beiden Nachbarländern tatkräftig unterstützt und über die Jahre zahlreiche Begegnungen ermöglicht. Dass Tandem dabei auch immer wieder im deutsch-tschechischen Kontext relevante gesellschaftspolitische Themen aufgriff und -greift, stellte Juliane Niklas als besonders positiv heraus.
Der Samstag stand ganz im Zeichen des Austausches zwischen jungen Menschen aus Deutschland und Tschechien: In verschiedenen Workshops hatten sie nicht nur die Möglichkeit, sich Kennenzulernen und Auszutauschen, sondern konnten auch die gemeinsamen Themen intensiv diskutieren: Wie kann die gemeinsame transnationale Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs aussehen? Wie lassen sich mit Sprachanimation Barrieren abbauen? waren zwei Beispiele für die Diskussionsrunden.
Die Ergebnisse aus den Workshops präsentierten die Teilnehmenden am Sonntag. „Heute ist der Austausch zwischen den Jugendlichen aus Deutschland und Tschechien kaum noch von politischen Konflikten beeinflusst. Man kann sich wirklich auf die gemeinsame Diskussion konzentrieren“, fasste einer der Teilnehmenden zusammen. Auch nach dem Trennenden fragte 2016 niemand mehr.
In zwei Abschlussrunden wurde Bilanz gezogen: Dr. Tomáš Kafka (Leiter der Mitteleuropa-Abteilung im tschechischen Außenministerium) und Miroslav Prokeš (DUHA) waren vor 20 Jahren dabei und konnten zusammen mit Jacob Venuß (Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds) den Faden der 20jährigen Entwicklung aufnehmen. Durchaus optimistisch blickten sie in die Zukunft. Tomaš Kafka appellierte an die Jugendlichen in Bezug auf die deutsch-tschechische Zusammenarbeit: „Macht alles so, dass es Spaß macht!“
Dieses Motto wurde von den Vorsitzenden der beiden Jugendringe, Lisi Maier (DBJR) und Aleš Sedláček (ČRDM) gerne aufgegriffen. In ihrer Diskussion mit den beiden Tandem-Leitern, Jan Lontschar (Pilsen) und Thomas Rudner (Regensburg) hoben beide hervor, dass die deutsch-tschechische und internationale Zusammenarbeit der Jugendverbände heute Normalität sei. Lisi Maier betonte, dass die Jugendarbeit Signale senden müsse, dass keine neuen Grenzen aufgebaut werden. Gemeinsam zogen alle das Fazit, dass gute Beziehunge zwar gerade Normalität seien, aber weiterhin gepflegt werden müssten; junge Menschen aus beiden Ländern könnten angesichts der aktuellen Fragestellungen in der EU (Stichwort „Brexit“) ein Zeichen für Zusammenarbeit setzen.