Angeregter Meinungsaustausch mit Abgeordneten – Parlamentarisches Frühstück der Internationalen Jugendarbeit
Wie profitieren Jugendliche und unsere Gesellschaft von internationaler Jugendarbeit? Wie kann Politik internationale Jugendarbeit fördern? Welche Konsequenzen hätte das neue EU-Programm „Erasmus für alle" für die Jugendarbeit in Deutschland und Europa? Was erwartet die Internationale Jugendarbeit von den Bundestagsabgeordneten – und umgekehrt? Um diese und viele weitere Fragen ging es beim ersten Parlamentarischen Frühstück der Internationalen Jugendarbeit am 30.11.2011 in Berlin.
Abgeordnete aller Fraktionen waren der Einladung der bilateralen Jugendwerke und Koordinierungsstellen, darunter auch das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem, gefolgt. Unter dem Motto „Bildung, Engagement, Kompetenz – Internationale Jugendarbeit stärkt Demokratie und Vielfalt!“ diskutierten sie mit den Leitungen der gastgebenden Institutionen die aktuellen Herausforderungen und Chancen der Jugend- und Bildungspolitik.
In ihrer Einführung stellte Marie-Luise Dreber, Direktorin der Fachstelle internationale Jugendarbeit IJAB, anhand verschiedener Studienergebnisse die nachgewiesenen Wirkungen internationaler Jugendarbeit dar. Junge Menschen machen wesentliche und biografieverändernde Erfahrungen, wenn sie an internationalen Jugendprojekten teilnehmen. Besonders hervorzuheben ist, dass junge Menschen nicht nur soziale und interkulturelle Kompetenzen erwerben, sondern auch ein stärkeres Bewusstsein für gemeinsame Werte wie Menschenrechte, Demokratie, Toleranz entwickeln und sich stärker als vorher gegen Rassismus und Intoleranz engagieren. Internationale Jugendarbeit hat das Potential, demokratische und zivilgesellschaftliche Strukturen zu stärken! In diesem Zusammenhang kommen auch Nordafrika und das Interesse der Träger an einer Zusammenarbeit mit den dortigen Staaten ins Spiel: Die Bundesregierung hat Millionen Euro für den Aufbau demokratischer Strukturen in der arabischen Welt (Ägypten, Tunesien) vorgesehen. Bislang gibt es jedoch noch keine verbindliche Aussage darüber, welcher Anteil in die Jugendarbeit fließen soll. An die Abgeordneten wurde appelliert, sich aufgrund des Bedarfs für Mittel in Höhe von mindestens 500.000 Euro einzusetzen. Zudem ist es ein wichtiges Anliegen der Träger internationaler Jugendarbeit, dass die Erkenntnisse aus den wissenschaftlichen Studien aktiv in die derzeitigen Diskussionen um eine eigenständige Jugendpolitik in Deutschland und die jugendpolitischen Prozesse in Europa eingebracht werden.
Hans-Georg Wicke, Leiter von JUGEND für Europa, ging in seinem Statement auf die jugendpolitischen Entwicklungen ein, die derzeit auf europäischer Ebene stattfinden. Dass Jugendliche durch Auslandsaufenthalte außerhalb von Schule und Berufe sehr profitieren können, ist mittlerweile breit anerkannt. Allen jungen Menschen diese „Mobilität zu Lernzwecken“ zu ermöglichen, ist als Ziel in der europäischen Jugendpolitik verankert und wird in Deutschland im Rahmen der eigenständigen Jugendpolitik ebenfalls diskutiert. Die Abgeordneten wurden eindrücklich gebeten, sich für dieses Ziel einzusetzen.
Besonderes Augenmerk legte Wicke außerdem auf den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission, die acht laufenden jugendpolitischen Programme unter einem einzigen Bildungsprogramm – „Erasmus für alle“ – zusammenzufassen. Er schilderte die Konsequenzen, die sich für die internationale Jugendarbeit aus dem Verlust eines eigenständigen EU-Jugendprogramms ab 2014 ergeben würden. Zu dem Vorschlag der EU-Kommission liegen bereits viele kritische Anmerkungen von Fachkräften, Trägern, Bundesländern (Bundesrat), Bundesregierung (BMFSFJ und BMBF), Abgeordneten im Europäischen Parlament und dem Europäischen Jugendforum vor. Die Abgeordneten sollten sich ebenfalls für die Beibehaltung eines eigenständigen Jugendprogramms stark machen.
Im Tischgespräch entstand ein angeregter und konstruktiver Austausch zu den vorgestellten Entwicklungen. Mit einer grundsätzlich unterstützenden Haltung der Abgeordneten wurden deren Einflussmöglichkeiten einerseits und ihre Erwartungen an die Träger der internationalen Jugendarbeit andererseits diskutiert. Betont wurde von parlamentarischer Seite, dass die Einbeziehung benachteiligter Jugendliche, insbesondere auch von Jugendlichen aus Real- und Hauptschulen, ein wesentliches Anliegen von internationaler Jugendarbeit sein sollte. Dieses Ziel müssten die existierenden Förderinstrumente weiterhin als Priorität verfolgen. Erbeten wurden zudem Hinweise zu finanziellen und strukturellen Problemen in den Partnerländern, die die Zusammenarbeit in der Praxis und die Mobilitätsmöglichkeiten von Jugendlichen erschweren.
Der beim Parlamentarischen Frühstück aufgenommene Gesprächsfaden wird in den nächsten Wochen im direkten Kontakt mit einigen Abgeordneten und am 7. März 2012 bei einem Parlamentarischen Abend in Berlin weitergeführt.
Quelle: IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V.