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Wie ich mich in Deutsch verliebt habe – Eine persönliche Perspektive von Tereza Zobalová
Heute ist der 16. April 2018 und ich sitze im Büro von Tandem in Regensburg. Es ist der erste Tag meines Praktikums beim Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch. Nachdem ich mich mit den Tandem-Mitarbeiter/-innen bekannt gemacht habe und durch die Büroräume geführt worden war, habe ich meine erste Aufgabe bekommen: einen Bericht über mich zu schreiben. Warum habe ich mich für ein Praktikum bei Tandem beworben? Warum studiere ich Deutsch anstatt Medizin, Jura oder Wirtschaft? Ich versuche, den roten Faden in meinem bisherigen Leben zu finden, um diese Fragen möglichst klar und für Sie, liebe Leser/-innen, interessant darzustellen.
Ich bin nicht bilingual aufgewachsen, habe keine deutschen Wurzeln und meine Geschichte mit Deutsch hat erst in der 10. Klasse auf dem Gymnasium in Nachod, einer Stadt im Nordosten Tschechiens angefangen. Zu Beginn fand ich den Deutschunterricht nicht besonders interessant und war von der Sprache nicht wirklich begeistert. Ich hatte aber ein riesen Glück namens Ilse Stonjek, eine wunderbare Frau, die 1935 in Tepliz-Schönau geboren worden war und nach dem Zweiten Weltkrieg aus Tschechien vertrieben wurde. Anstatt sich aufgrund dieser Erfahrung von Tschechien abzuwenden, hat sie sich die Versöhnung der beiden Länder zur Lebensaufgabe gemacht. Seit 1992 organisiert sie den Schüleraustausch zwischen dem Gymnasium Oesede in Georgsmarienhütte bei Osnabrück und dem Jirasek Gymnasium in Nachod. Neben kurzen Austauschen organisiert sie auch einjährige Austausche, bei denen sie die tschechischen Schüler/-innen nicht selten bei sich zu Hause unterbringt.
Am Anfang war der Austausch
Die Teilnahme an einem von Frau Stonjek organisierten Schüleraustausch ist zu einem der wichtigsten Schritte in meinem Leben geworden. Anfangs war der Gedanke, ein Jahr in Deutschland zu verbringen, nicht vorstellbar. Dann nahm ich aber an einem zweiwöchigen Austausch teil und war bei einer sehr netten Familie untergebracht. Ich erinnere mich noch heute an den Moment, als ich die Entscheidung, für ein Jahr nach Deutschland zu gehen, getroffen habe: Ich saß in meinem Gästezimmer und der Gedanke traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Plötzlich wurde mir klar, wie toll die Möglichkeit, ein Jahr in Deutschland zu leben und zu lernen, eigentlich ist. Also meldete ich mich an – und habe meinen Beschluss in keinster Weise bereut. Glücklicherweise wurde eine nette Familie gefunden, die sich bereit erklärte, mich und mein Gepäck für ein Jahr aufzunehmen. Und so konnte ich am 1. September 2015 ein Teil der Familie Martin-Borink werden.
Am Anfang meiner Zeit in Deutschland hatte ich große Schwierigkeiten zu verstehen und zu akzeptieren, dass man in Deutschland viele Sachen einfach anders macht als ich es von meinem Heimatland Tschechien gewohnt war. Es war anstrengend, mich durch die fremde Sprache und die kulturellen Unterschiede zu beißen. Umso stolzer war ich am Ende des Gastschuljahres, als ich mit einem Sprachzertifikat und dem Wissen, neue Freunde gefunden zu haben, Deutschland verlassen habe.
Meine Bestimmung gefunden
Mit der Rückkehr nach Tschechien ist mein Traum von der perfekten Heimat zerplatzt. Ich sah auf einmal Dinge, die in Deutschland besser gelöst werden – und umgekehrt. Ich fühlte mich nicht als Deutsche, aber zugleich auch nicht mehr als Tschechin. Es war für mich normal geworden, die Sprachen und Gewohnheiten aus den beiden Ländern zu mischen. Was ich als großen persönlichen Gewinn empfinde. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, andere junge Menschen dabei zu unterstützen, Sprachen zu lernen und interkulturelle Barrieren abzubauen. Nicht von ungefähr studiere ich Deutsch und Englisch auf Lehramt. Mein Studium an der Karlsuniversität hat es mir ermöglicht, im zweiten Studienabschnitt wieder nach Deutschland zu reisen und zwar mit Erasmus+ nach Regensburg. Dieses Mal hatte ich keine Angst mehr vor der fremden Sprache oder vor kulturellen Unterschieden. Im Gegenteil, ich habe mich darauf gefreut.
Auf der Suche nach neuen Freundschaften war ich aktiv und erfolgreich. Darüber hinaus habe ich im Rahmen einer Nachmittagsbetreuung an einer deutschen Schule 25 Kinder alleine betreut! Das hätte ich mir vor drei Jahren, vor meinem Gastschuljahr in Deutschland, niemals zugetraut.
Als ich in Deutschland nach neuen Herausforderungen suchte, habe ich zum ersten Mal von der deutsch-tschechischen Organisation Tandem gehört. Sofort war mein Interesse geweckt, weil die Unterstützung guter Beziehungen und das Verständnis zwischen Deutschland und Tschechien auch meine persönlichen Schwerpunkte sind.
Nun sitze ich am Tisch im Büro von Tandem, am ersten Tag meines Praktikums, und überlege, wie ich an meine nächste Aufgabe herangehe, nämlich einen Leitfaden für die Öffentlichkeitsarbeit zu erstellen. Hoffentlich wird es mir gut gelingen.
Von Tereza Zobalová
(Anmerkung von Tandem: Tereza Zabalová ist es wunderbar gelungen, mit Unterstützung einer hauptamtlichen Tandem-Mitarbeiterin einen Leitfaden für die Öffentlichkeitsarbeit zu erstellen. Sie können den Leitfaden in einer unserer nächsten Tandem-Kurier-Ausgaben herunterladen.)
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