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ahoj.info-Reportage
Kochen. Essen. Reden – und das bitte deutsch-tschechisch!
Seit Juni 2016 ist Dominik Fischer aus Thüringen Praktikant beim Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem in Regensburg. Die Idee, dem Regensburger Tandem-Team für gut zwei Monate unter die Arme zu greifen, kam dem Studierenden bei der Sprachanimationsschulung in Mlázovy, die im April 2016 stattfand. Schließlich bewarb er sich und bekam den Zuschlag. Seither hat der Student hauptamtliche Tandem-Mitarbeiter/-innen zu Seminaren begleitet, die Webseite www.tandem-org.de gepflegt, Recherchearbeit geleistet und – last but not least – eine Reportage geschrieben. Und zwar über den ahoj.info-Kochtag am 9.7.2016 in Regensburg. Lesen Sie selbst!
An einem unschlagbar sommerlichen Samstag im Juli versammeln sich 15 junge Leute aus Tschechien und Deutschland in der Ostengasse von Regensburg. In einem gemütlich eingerichteten Event-Lokal mit riesigem Esstisch und angeschlossener Küche werden sie von Žaneta und Kristýna erwartet. Die beiden Tschechinnen stehen kurz vor dem Ende ihres einjährigen Europäischen Freiwilligendienstes, den sie gemeinsam beim Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem in Regensburg verbringen. Kurz vor Ende ihrer Zeit in Deutschland verwirklichen sie noch ein besonderes Projekt – ein von ihnen gemeinsam geplanter Kochtag für deutsche und tschechische Jugendliche.
Kochen, essen, reden. │Vařit, Jíst, Bavit se.
Um den riesigen Esstisch stehen die Stühle noch leer, doch nach und nach füllt sich der Raum und die Gäste fangen an, miteinander zu plaudern. Man hört tschechische und deutsche Wörter, wie sie abwechselnd durch den Raum schwirren, sich vermischen, eins werden. Viele der Anwesenden haben bereits Kenntnisse der jeweils anderen Sprache. Doch auch diejenigen, die sich mit der Nachbarsprache noch nicht vertraut gemacht haben, brauchen keine Scheu zu haben. Milada geht um den Esstisch herum und verteilt Kopfhörer an die Teilnehmenden. Die seit 13 Jahren in Regensburg lebende Dolmetscherin aus Pilsen übersetzt alles Gesagte simultan in die jeweils andere Sprache. Bavit se. Reden. Kein Problem! In der Küche sieht es auffällig farbenfroh aus. Auf der Arbeitsfläche sind Zutaten wie Paprika, Pilze, Reis, Couscous, Linsen, Minze, Joghurt und Olivenöl ausgebreitet – was sich wohl an den weniger einsehbaren Stellen noch an Zutaten verbirgt? Alle sind gespannt und warten, dass es losgeht. Als schließlich Jakub und Marek eintreffen, die den weiten Weg aus dem über 400 Kilometer entfernten mährischen Kopřivnice auf sich genommen haben, ist die Gruppe vollständig und es kann endlich losgehen.
Herzlich Willkommen zum Kochtag! │Srdečně vás vítáme na dnešní akci!
Milada übersetzt die freundliche Begrüßung der Gastgeberinnen ins Deutsche. Danach bittet Kristýna die Teilnehmenden in einen Nebenraum. Dort liegen Bücher zur Landeskunde und Anstecker bereit: Ahoj sousede! Hallo Nachbar! Die kann man sich später mitnehmen als Erinnerung und um mehr zu erfahren über das Land des Nachbarn. Doch jetzt begrüßen sich die Teilnehmenden erst einmal zweisprachig!
Um es den Teilnehmenden an deutsch-tschechischen Jugendbegegnungen leichter zu machen, sich der Nachbarsprache zu nähern, hat Tandem die Methode der Sprachanimation entwickelt. Dabei entdeckt man auf spielerische Weise die andere Sprache. Das Lernen von Wörtern geschieht hier nicht durch Büffeln, sondern durch Interaktion. Pauline, die ihr Freiwilligenjahr bei Tandem Pilsen absolviert und heute als Mitorganisatorin nach Regensburg gekommen ist, erläutert, wie man sich auf Tschechisch begrüßt, und wie man sagt, wo man herkommt: Ahoj, já jsem Pauline a pocházím z Weimar. Dass man im Tschechischen eigentlich „z Wýmaru“ sagen müsste, ist heute nicht so wichtig, relativiert die Weimarerin. Hauptsache, man kann sich verständigen. Grammatik ist bei der Sprachanimation grundsätzlich weniger wichtig als die Freude am Reden. Und so werden die Teilnehmenden aufgefordert, sich in der jeweiligen Nachbarsprache vorzustellen. Ob mit oder ohne Grammatikfehler.
Petr Jedlička, der für den heutigen Tag nach Regensburg eingeladen wurde, kommt aus Pilsen und arbeitet dort als Koch. Er bietet über seine Internetseite www.tatovar.cz Kochkurse an, die er bei den Interessenten zuhause durchführt. Heute steht er hinter der Küchentheke im „H95“ in der Ostengasse und verrät den Teilnehmenden, die sich neugierig um die bunten Zutaten gruppiert haben, das 3-Gänge-Menü für den heutigen Kochtag. Als Vorspeise wird es Linsen-Curry-Aufstrich geben und natürlich eine Suppe, denn die gehört in Tschechien zu einem richtigen Menü einfach dazu! Die Hauptspeise kocht Petr heute in zwei Varianten: zum einem ein italienisches Risotto mit Hähnchenfleisch, zum anderen Couscous mit Buttergemüse für alle, die es lieber vegetarisch mögen. Und zum Abschluss gibt es noch einen leckeren alkoholfreien Mojito mit frischer Minze (sog. Virgin Mojito) und „Liwanzen“ – kleine Pfannkuchen aus einem lockeren Teig mit Joghurt, dazu aufgekochte Waldfrüchte.
Erster Gang: Linsen-Curry-Aufstrich zu frischem Brot und eine leichte Kartoffel-Kohl-Suppe
Zunächst machen sich die Teilnehmenden an das Schneiden der Gemüsesorten. Kartoffeln, Karotten, Lauch, Zwiebeln und Kohl werden für den Aufstrich und die Suppe vorbereitet. Die kleinen bunten Berge aus geschnittenem Gemüse werden peu à peu zur Arbeitsfläche in der Küche gebracht, wo Petr schon das Öl in die Pfanne gießt und das Wasser für die Kartoffeln zum Kochen bringt. Der Koch gibt den Lauch in die Pfanne. Nebenher bereitet er die Suppe vor. Karotten und Zwiebeln werden in einem Topf angedünstet. In einem anderen Topf kochen bereits die Kartoffeln. Natürlich mit etwas Kümmel! Petr sagt, dass das Gewürz sehr gesund sei und beim Kochen auch Schadstoffe neutralisiere. Ein richtiger Alleskönner, der in der tschechischen Küche sehr beliebt ist. Milada übersetzt zeitgleich alles vom Tschechischen ins Deutsche und hält dabei das Rezept in den Händen. Sie betont, es sei ein typisch tschechisches Rezept und meint damit weniger das Gericht selbst, sondern vielmehr die fehlenden Mengenangaben bei einigen der Zutaten und bei den Gewürzen. Das mache man eben nach Gefühl. Einige nicken und grinsen zustimmend.
Für den Linsen-Curry-Aufstrich benutzt Petr neben dem in Deutschland und Tschechien bekannten und in der Küche vieler Regionen verbreiteten Kümmel auch Kreuzkümmel. Er reicht das Gewürzglas herum und lässt die Teilnehmenden das interessante Aroma wahrnehmen. Diese beiden Gewürze sind nur dem Namen nach verwandt, duften jedoch völlig unterschiedlich! Im Tschechischen heißt der Kreuzkümmel „römischer Kümmel“ (římský kmín). Ganz anders als im Deutschen! Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich Kultur eingraviert ist in die Wörter der beiden Nachbarsprachen. Beim Kochen verbinden sich die verschiedenen Ursprünge der Wörter wieder zu dem, was sie bezeichnen – einen besonderen Duft, ein besonderes Aroma. Sie verweisen auf etwas, das einmal exotisch, ja „unheimisch“ war, nun aber dazugehört und nur dem Namen nach noch ein wenig fremd erscheint. Nach all dem Einfangen von Düften und den vielen Tipps zum Kochen nehmen alle schließlich Platz und genießen mit reichlich Appetit den ersten Gang. Die Gesichter sehen sehr zufrieden aus.
Zweiter Gang: Italienisches Gemüse-Risotto mit Hähnchenfleisch / Couscous mit Buttergemüse
Für den zweiten Gang werden das Gemüse und das Fleisch für das Risotto vorbereitet. Doch nebenher bleibt natürlich Zeit für Gespräche. Einige der Teilnehmenden sind schon seit längerer Zeit auf irgendeine Weise mit dem Nachbarland verbunden. Susanne verbrachte ein Freiwilligenjahr in Pilsen, Carl Friedrich ist aktives Mitglied beim Deutsch-tschechischen Jugendforum. Doch es sind vor allem die konkreten Anlässe für interkulturelle Begegnungen, die das Interesse am Nachbarland so prägen! Das deutsch-tschechische Jugendprojekt ahoj.info möchte mit verschiedenen Aktionen und Seminaren Möglichkeiten schaffen, dass die Jugendlichen sich besser kennen lernen und sich über ihre Erfahrungen austauschen können. Durch eine gemeinsame Aktivität wie das heutige Kochen und Essen kommt man sich einfach viel natürlicher näher als in nüchternen schulischen Situationen.
Petr dünstet in einem großen Topf die Zwiebeln für das Risotto an. Die Mischung aus Butter und Öl verhindert, dass sich das Fett überhitzt und unangenehme Aromen entstehen. Dennoch muss man kräftig rühren und die Temperatur unter Kontrolle halten. Der Pilsener Koch gibt das Risotto hinzu und löscht schließlich alles mit etwas Weißwein ab. Die Teilnehmenden lassen sich inspirieren. Für die Vegetarier brät Petr zeitgleich noch Erbsen und Mais für ein leckeres Gemüse-Couscous in Butter an.
Die anderen Köche und Köchinnen fangen inzwischen schon mal an, die Tafel zu decken. Und als Petr endlich den großen Risottotopf auf dem Tisch platziert, kann auch die zweite Runde starten. Aus dem Topf steigt Dampf, herrlicher Duft erfüllt den ganzen Raum. Dobrou chuť! Guten Appetit!
Dritter Gang: Frischer Mojito und Liwanzen mit Waldfrüchten
Was gibt es beim Essen Schöneres als die leckere Nachspeise? Und was gibt es zudem an heißen Sommertagen Schöneres als einen erfrischenden Drink? Nichts! Und genau deswegen liegt in der Küche intensiv duftende Minze für einen Mojito bereit. Petr zerkleinert die Minze und gibt sie zusammen mit geschnittenen Limetten und reichlich zerstoßenem Eis in die Cocktailgläser, deren Ränder Susanne in eine flache Schale mit Rohrzucker getunkt hat. Das sieht toll aus und… schmeckt!
Petr bereitet unterdessen einen Teig mit Mehl, Eiern und Joghurt für die Liwanzen zu. In eine Kochschürze gehüllt, übernimmt Carl Friedrich das Ausbacken der kleinen böhmischen Pfannkuchen, die irgendwie an Sommerferien bei Großmutter erinnern – eine Süßspeise, die nicht viel braucht und sich kurzerhand eigentlich immer mit haushaltsüblichen Lebensmitteln zubereiten lässt.
Und ein letztes Mal sitzt man am Ende zusammen und genießt die minzig-frische Nachspeise. Als Kristýna nach diesem leckeren letzten Gang eine Zitrone und eine Banane in den Händen hält, versucht sie sich nicht etwa an einer weiteren Nachspeise, sondern bittet die Teilnehmenden vielmehr, ihre Eindrücke vom Kochtag kurz zusammenfassen. Die positive Bananenseite überwiegt am Ende deutlich. Alle sind zufrieden und finden es super, dass Tandem und ahoj.info solche Möglichkeiten für das nachbarschaftliche, kulturelle Miteinander junger Menschen schaffen. Einen einzigen zitronigen Punkt hebt Jakub hervor: Wie schön wäre es doch gewesen, wenn man in der Sonne hätte kochen können? Doch in der Camping-Küche wäre das Essen vielleicht weniger lecker gewesen. Der Autor schlürft an seinem Mojito und resümiert: Dieser Geschmack macht diesen Umstand verzeihbar.
Von Dominik Fischer
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